Wir wollen den Tod nicht fürchten, sondern an die Unsterblichkeit denken

 

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nach den Worten, die uns der Herr täglich beten heißt, nicht unsern Willen, sondern den Willen Gottes tun sollen. Wie verkehrt und ungereimt ist es, wenn wir beten, der Wille Gottes möge geschehen, dann aber nicht sogleich dem Gebot seines Willens folgen, wenn er uns aus dieser Welt herausruft und wegholt. Wir sträuben und widersetzen uns und lassen uns wie widerspenstige Knechte unter Trauern und Klagen mit den Ketten des Zwanges von hier weg vor das Angesicht des Herrn führen, statt in einem freien Gehorsam zu folgen. Wir wollen von ihm mit dem Lohn des Himmels geehrt werden, obwohl wir wider unsern Willen zu ihm kommen. Wozu beten wir, das Himmelreich möge kommen, wenn wir Freude an der irdischen Gefangenschaft haben ? Warum beten wir oft und immer wieder und verlangen, dass der Tag der Königsherrschaft beschleunigt werde, wenn unsere Sehnsucht stärker und der Wunsch heftiger ist, hier dem Widersacher zu dienen, als mit Christus zu herrschen ?

Wie häufig wurde auch mir, dem Geringsten und Letzten, offenbart, wie oft und deutlich wurde mir  von Gott eingeschärft, ständig zu bezeugen und öffentlich zu verkünden, dass wir um unsere Brüder und Schwestern nicht trauern sollen, weil sie durch den Ruf des Herrn von dieser Welt befreit sind. Wir wissen doch, dass wir sie nicht verlieren, sie vielmehr vorausschicken, dass sie nur Abschied nehmen, um vorauszugehen. Wir dürfen uns nach ihnen sehnen, wie wir tun, wenn jemand zu Land oder zu See verreist. Aber wir dürfen sie nicht beklagen und hier schwarze Kleider tragen, wo sie doch bereits die weißen Kleider angetan haben. Wir dürfen den Heiden keinen Anlass geben, uns mit Recht zu tadeln, dass wir über Menschen, von denen wir behaupten, dass sie bei Gott leben, trauern, als seien sie ausgelöscht und zugrunde gegangen, und dass wir mit dem Zeugnis des Herzens und der Brust nicht bestätigen, was wir mit dem Wort des Mundes behaupten. Wir verfehlen uns gegen unsre Hoffnung und unsern Glauben. Was wir sagen, scheint vorgetäuschte und erdichtete Schönfärberei zu sein. Vergeblich erwecken wir mit Worten den Anschein des Mutes, wenn wir seine Echtheit durch die Tat zunichte machen.

Auch der heilige Paulus missbilligt, tadelt und beanstandet es, wenn sich jemand beim Tod der Seinigen der Trauer hingibt. "Brüder, wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus - und das ist unser Glaube - gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen."* Nach seinen Worten trauern beim Tod der Ihrigen nur solche, die keine Hoffnung haben. Wir aber leben in der Hoffnung, glauben an Gott und vertrauen, dass Christus gelitten hat und auferstanden ist. Wir bleiben in Christus und stehen durch ihn und mit ihm auf. Warum wollen wir dann die Welt hier nicht verlassen, oder warum trauern und klagen wir über den Abschied der Unsrigen, als seien sie verloren, da doch unser Herr und Gott, Christus, mahnt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben"*?

*1 Thess 4,13-14. *Joh 11,25-26.

 

RESPONSORIUM

R  Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, * damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.

Wenn Jesus gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. * Damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.

 

ORATION

Gütiger Gott, du hast uns durch deinen Sohn erlöst und

als deine geliebten Kinder angenommen. Sieh voll Güte

auf alle, die an Christus glauben, und schenke ihnen die

wahre Freiheit und das ewige Erbe. Darum bitten wir

durch unsern Herrn Jesus Christus ...

 

(Lektionar zum Brevier, II/7)