Des Hl. Kirchenvaters Aurelius Augustinus' Vorträge über das Evangelium des Hl. Johannes

Bibliothek der Kirchenväter

1. Band, 23 Vorträge (Audio)


Von der Würde des hl. Augustinus

 

Auszug aus : Der hl. Gertrud der Großen

Gesandter der göttlichen Liebe, Kap. 48.

 

Darauf gedachte sie auch des berühmten Bischofs Augustinus, zu dem sie von Jugend auf eine innige Zuneigung hatte, und dankte Gott andächtig für alle ihm erwiesenen Wohltaten. Da erschien ihr der hehre Bischof neben dem hl. Bernardus, dem er gleich war an himmlischer Glorie und nicht ungleich in Heiligkeit des Wandels und an Reichtum heilsamer Lehre. Er stand vor dem Throne der göttlichen Majestät, unaussprechlich geschmückt mit himmlischer Schönheit, und entsandte gleich dem hl. Bernardus aus seinem Herzen feurige Strahlen in das Innerste des göttlichen Herzens, die seine glühende Beredsamkeit sinnbildeten, womit er die Herzen der Menschen zur Liebe Gottes entflammte. Aus seinem Munde streute er Sonnenstrahlen aus, welche durch die ganze Weite des Himmels sich ergossen als Sinnbild seiner überreichen heiligen Lehre, die er durch die ganze Kirche verbreitet hat. Über diesen Strahlen erschienen Bogengewölbe von wunderbarer Helle und einem neuen Lichte, welche beim Anschauen die lockendste Freude gewährten. Der hl. Bernardus belehrte sie, dass die Strahlen, die Sinnbilder der Aussprüche des heiligen Bischofs Augustinus, deshalb diese besondere Zier eines Bogengewölbes besäßen, weil der unvergleichliche Lehrer in allen seinen Schriften und Worten den katholischen Glauben auf das höchste zu erheben beabsichtigte, da er zur Ehre des Herrn, der ihn nach vielen Verirrungen aus der Finsternis der Unwissenheit unverdient zum Lichte der höchsten Wahrheit rief, allen Menschen den Weg des Irrtums zu verschließen und den Weg des heilbringenden Glaubens zu zeigen begehrte.

Darauf sagte sie zum hl. Bernardus: "Hast du, heiliger Vater, nicht auch dasselbe in deinen Schriften beabsichtigt?" Der hl. Bernardus antwortete: "Ich wurde in allen meinen Werken, Worten und Schriften bloß von dem Ungestüm der Liebe Gottes getragen. Dieser Lehrer aber wurde von der wirksamen Liebe Gottes und zugleich durch die Erfahrung eigenen Elendes zum Heile des Nächsten angetrieben."

Während hierauf der Herr allen Gewinn an Glauben, Trost, Unterweisung, Erleuchtung und Liebe aus den Herzen derer im Himmel und auf Erden, der aus den Worten des hl. Augustinus hervorgegangen ist, in sein göttliches Herz zog, durch diese Vereinigung unaussprechlich adelte und in das Herz desselben wieder zurückgoss, da geschah es, dass dieser süße Strom dessen Herz überflutete und in Weise einer Leier in Bewegung setzte, welche die süßeste Harmonie vor Gott erklingen ließ. Darauf sagte der hl. Bernardus zu ihr: "Das sind die Klänge, von denen es im Hymnus heißt: 'Jene ganze Gott geweihte und geliebte Stadt ist erfüllt von Klängen des Lobes' [Hymnus am Kirchweihfest], weil das Herz jedes Heiligen je nach Verschiedenheit seiner Tugenden dem Herrn beständig ein süßtönendes Loblied singt."

An demselben Feste erschien der glorreiche Bischof, während in der Vesper die Antiphon "Verwundet hatte die Liebe" gesungen wurde, in großer Herrlichkeit. Mit beiden Händen sein Herz ausbreitend, das die Liebe Gottes wiederholt verwundet hatte, brachte er dasselbe vor den Herrn, um ihn zu ehren, in Gestalt einer überaus schönen Rose, die durch ihren Wohlgeruch alle Himmelsbewohner unaussprechlich ergötzte und erquickte. Gertrud begrüßte andächtig den verehrungswürdigen Vater und bat ihn für alle ihre Empfohlenen und auch für diejenigen, welche eine besondere Andacht zu ihm hatten. Darauf flehte er in innigem Gebete den Herrn an, es möchten die Herzen aller, welche seine glühende Gottesliebe zu erlangen begehrten, in derselben Weise wie sein Herz vor Gottes Angesicht beständig grünen und duften zur Ehre und Verherrlichung der strahlenden und allzeit anbetungswürdigen Dreifaltigkeit.

Bei den Metten, die sie zu Ehren des hl. Augustinus besonders andächtig betete, sprach der Herr zu ihr: "Erwäge nun, wie dieser mein Geliebter erleuchtet und durchleuchtet ist von blendender Reinheit, holdseliger Demut und glühender Liebe", worauf sie mit Bewunderung sagte: "O Herr, wie sagst du, dass er von blendender Reinheit erleuchtet sei, da er doch, obgleich er doch wegen seines sehr heiligen Wandels aller Verehrung würdig ist, so lange Zeit vom Glauben abirrend ohne Zweifel einige Makel sich zugezogen hat?" Der Herr antwortete: "Dadurch, dass ich ihn so lange Zeit abirren ließ, erstrahlt in ihm meine göttliche Vorsehung, in der ich seine aufgeschobene Bekehrung so geduldig und langmütig erwartet, ebenso meine gütige Erbarmung, in der ich ihn so gnädig zurückgerufen, und meine unverdiente Huld, in der ich ihn so ausgezeichnet begnadigt habe."

Da sagte sie zum Herrn: "Hat denn, o mein Herr, dein süßester Liebhaber Bernardus sich nicht ebenso bemüht, an dir sich zu erfreuen, wie der hl. Augustinus ? Und doch sah ich neulich bei der Betrachtung seiner Herrlichkeit nicht, dass er ähnliche Wonnen genoss." Der Herr antwortete: "Mein auserwählter Bernardus hat für seine einzelnen Verdienste einen überreichen Lohn empfangen; aber deine geringe Fassungskraft lässt dich nicht einmal die Glorie des geringsten meiner Heiligen vollständig verstehen, um wieviel weniger die so großen Heiligen ! Um jedoch deinem Verlangen einigermaßen zu entsprechen, habe ich dir die verschiedenen Verdienste einzelner Heiligen gezeigt, damit du durch die Freude an ihnen in meiner Liebe mehr entzündet werdest. Auch sollst du hierdurch augenscheinlicher erfahren, 'dass in meines Vaters Hause viele Wohnungen sind' [Joh 14,2], und sollst erkennen, was das heißt, wenn zur Ehre jedes heiligen Bekenners und Bischofs gesungen wird: 'Nicht ward einer ihm ähnlich erfunden in Beobachtung des Gesetzes des Allerhöchsten.' [Nachgebildet Sir 44,20, wo es von Abraham gesagt wird.] Denn in der Tat ist jeder Heilige von dem andern in der Glorie durch ein besonderes Verdienst unterschieden."